Erich Leistner plaudert aus dem Nähkästchen (Folge III)
von Erich Leistner
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1938 hörte mein Vater vom Modellbau und von der Möglichkeit
der Verbindung von Holz mit Elastolinmasse. Hierzu eine Erklärung, die
wahrscheinlich nur der hier ansässige Bossierer verstehen wird. Nach dem
schwarzen Freitag, dem Börsenkrach an der Wallstreet in New York, war die
Beschäftigung in der lokalen Spielzeugindustrie fast auf den Nullpunkt
gesunken.
Nicht nur die Bossierer im Raum Neustadt-Sonneberg hatten
Muße und modellierten fleißig an neuen Modellen. Im Jahre 1930
veranstalteten die Neustädter Spielzeugmacher eine große
Spielzeugausstellung, in der über das ganze Jahr über die ansässigen
Spielwarenbetriebe ihre Leistungsfähigkeit präsentierten.
Hier entwickelten die Bossierer eine völlig neue Variante der figürlichen
Darstellung ihrer Figuren. Nachdem die Figuren immer nur einzeln verrechnet
wurden, einzeln oder per Dutzend, machte mein Vater zum Beispiel nur
"Geflügel", also alles was da so kreucht und fleucht und jeweils von
Miniatur- bis Lebensgröße, also Enten, Truthühner, Gänse, Tauben, Schwäne
und Bauernhofgeflügel usw.
So fertigte man in jener Zeit für die oben erwähnte
Ausstellung vermehrt Figuren im Stil des 19 Jh. als man die Figuren in
Gruppen auf einem Holzsockel postierte.
Das geschah im einzelnen so, dass man eine Figurengruppe auf ein Brett in
vorgegebener Größe stellte. Hierzu wurde das natürliche Umfeld aus
Papiermachémasse modelliert, so entstanden kleine Landschaften, mit Blumen,
Gräsern und bei Wassergeflügel andeutungsweise mit Wasser, alles auf dem
kleinen Brettchen.
Da hinein wurden die Figuren so angeordnet, dass mit diesem Ensemble ein
lebendiges und hübsches Diorama entstand, welches in gutbürgerlichen Stuben
als Dekorationsstück auf dem Vertiko zu stehen kam.
In dieser Technik habe ich mich schon als Kind gerne versucht und habe mit
dem doch recht dankbaren Material Papiermaché ganz nette Arrangements
geschaffen.
Natürlich war Papiermaché ein recht zerbrechliches Material. Deshalb war ich
über das Angebot doch erfreut, als mir mein Vater eröffnete das ich in der
Holzabteilung bei Meister Meier und Herrn Dörr volontieren durfte.
Ich muss allerdings bekennen, dass mir an diesem System eines nicht gefiel,
das war, dass ich am jeweiligen Lohntag leer ausgehen sollte.
Ich war dann aber doch überrascht, als ich am Samstag um 11 Uhr ordentlich
"gelöhnt" wurde, also auch ein Tütchen bekam.
Damals wurde noch wöchentlich Lohn gezahlt und wenn ich mich recht erinnere
habe ich damals 18 Reichspfennige Stundenlohn bekommen.
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Beispiel Bossieren: fertig bossiertes Pferd,
Papier gedrückt, Holzbeine mit Masse anbossiert (verschmiert)
Musterkatalog Papiermaché-Erzeugnisse
Gottlieb Zinner, 1910
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Dies war vielleicht die informativste, die lehrreichste Zeit
bei Hauser. Mit dem Einverständnis des Meisters Dörr durfte ich in der
oberen Etage fleißig mithelfen, Stellungen aller Art herzustellen.
Dort bekam ich das Gefühl für Formgebung und das Arbeiten mit der
Elastolinmasse. So bin heute noch Herrn Dörr für seine mir zuteil gewordene
Aufmerksamkeit dankbar, hat er mich doch im Sinne des Ausbildungsziels, in
viele Dinge eingewiesen.
Mit Staunen verfolgte ich die für einen Bossierer ungemein lasche Art der
Farbauftragung auf der getrockneten Masse. Interessant waren hingegen die
Farbabstufungen, die am Ende den so vertrauten, typischen Haussertypus
vermittelt.
Einen Typus, den nach dem Kriege unser Freund Bäppi Tonn, bei seinen
Dioramen und Schaustücken, nunmehr in Verbindung mit den neu aufgekommenen
Kunststoffmaterialien, mit neuen Nuancen zu perfektionieren wusste.
Seine Arbeiten sind heute vielfach begehrte Sammelobjekte, leider aber in
der Stückzahl begrenzt.
Wohl weil seine Arbeiten jedem Betrachter gefallen müssen, wecken sie auch
die Begierde der Sammler.
Manche technisch versierten Sammler haben sich unter Zuhilfenahme vielerlei
Materialien im Selbstbau versucht und die verschiedensten Gelände gebaut.
Mit dem Wissen und Können der Häuser und Geländegestaltung habe ich in den
letzten 20 Jahren für einige Sammlerfreunde und für unser Neustädter Museum,
der Deutschen Spielzeugindustrie mit Trachtenpuppensammlung, wo ich als
Kustos fungiere, etliche große und kleinere Gelände gebaut.
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Immer drängender sind Freunde an mich heran getreten, mein
Wissen und Können weiter zu geben und für den Liebhaber und Bewunderer
dieser Haussertechniken Hilfe zur Selbsthilfe zu geben.
Dies habe ich erstmals 2000 beim Sammlertreffen in Bad Nauheim getan.
Dort habe ich praktisch Einweisung in den Geländebau gegeben und war
überrascht, mit wie viel Interesse meine Ausführungen aufgenommen wurden.
Bad Nauheim war für mich ein ganz besonderes Erlebnis und ich danke in
erster Linie meinem verstorbenen Freund Ernst Schnug, der mich bestärkte,
dort hin zu gehen. Ebenfalls dank ich den Veranstaltern Andreas Petruschka
und Helmut Lang für die Einladung.
Dort hab ich die Erkenntnis gewonnen dem Drängen einiger Freunde nachzugeben
und im Rahmen dieser Artikelserie, ganz altes, altes, älteres, neues und
ganz neues über Techniken, Materialien und Hintergründiges berichten.
Hierbei muss ich mich auf das heute machbare beschränken.
Zielsetzung soll eine möglichst perfekte Anlehnung an Arbeitstechniken,
Farbgebungen und Hilfsmittel sein, wie ich sie bei Hausser gelernt habe.
Mit meinen Hinweisen und Unterweisungen will ich versuchen, ein Höchstmaß an
Originalität zu vermitteln, ohne Anspruch darauf zu erheben, bestimmte
Vorlagen kopieren zu wollen. Meine Handschrift, das heute, mit ähnlichen
Materialien zu formende, soll sichtbar und erkennbar sein.
In keinem Fall will ich Hilfestellung leisten, um Hausser-Originale so nach
zu bauen, dass eventuell einer Betrugsabsicht Vorschub geleistet werden
könnte.
... wird fortgesetzt
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Leserkommentare
Mitglied
,
17.11.2005:
Mit großem Interesse habe ich die Ausführungen von Erich Leistner gelsen und würde mich sehr freuen, wenn ein 4., 5., 6. ... -Teil folgen würden, da die Authenzität, die Herr Leistner mibringt, wohl nicht mehr oft vorhanden ist. Mit freundlichen Grüßen und einem dicken Lob fürs Figuren Journal Dettmar Fischer
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