Schützend gehaltenes Schild, kraftvoll geschwungenes Schwert, wehendes gelbes Wams
... Arne von Ord im Angriff auf die Ritterburg ... Bogenschützen in einer Reihe aufgestellt hinter
geflochtenen Brustwehren ... Belagerungstürme, besetzt mit wartenden Normannenkämpfern ... das zarte
Burgfräulein, wartend auf Rettung auf dem großen Burgfried ... verdammt, ein Schwert gebrochen ...
wo ist der Kleber ... Schlacht anhalten ... nach Mutter rufen und Figur retten ... geschafft ...
wo sind die Kanonen ... immer das gleiche Problem: Die Metallkugeln machen die Figuren kaputt ...
muß man halt auf die Burg schießen ... und die Sturmleiter rutscht auch immer ab ... aber was ein
richtiger Held ist, kennt keine Hindernisse ... Arne schlägt zu, der Ritter fällt ... gewonnen ...
Prinzessin gerettet ... bis zur nächsten großen Schlacht.
Sturm auf die Burg
Wie alles begann
Was ist für einen 9-Jährigen Pfälzer Jungen, mit ganz gewöhnlicher Interessenlage,
eigentlich der Sechser im Lotto? Richtig: Wenn der Papa, der ansonsten in Firmen gearbeitet hatte,
die man nicht kannte und Sachen gemacht hatte, die man eigentlich noch nicht so richtig verstand,
auf einmal bei einer Spielzeug-Firma angestellt wurde. Welche Welten tun sich da auf, im
geschenkgesteuerten Gehirn eines Kindes! Und dann auch noch solche Figuren: Ritter, Normannen,
Wikinger, Römer, Cowboys, Indianer - was will man mehr? Alle Abenteuergeschichten, die die Fantasie
eines kleinen Jungen hergeben kann, sind abgedeckt und quasi sofort in die Realität umsetzbar! Die
nächsten Jahrzehnte freudvollen Spieles sind gesichert! Meinen Zustand, nach Erhalt dieser Nachricht,
als "aufgekratzt" zu bezeichnen, wäre schlichtweg untertrieben gewesen. Dieser Katalog vor mir auf
dem Tisch mit den "Historischen Sammlerfiguren", ein ums andere Mal umgeblättert, hier angekreuzt,
dort angekreuzt, die Figur? Nein, doch eher die, warum nicht beide - und prompt wurde ich von meinem
Vater ausgebremst, der sich ausgerechnet diesen Wonnemoment hernehmen mußte, um erzieherisch tätig
zu werden: "Ich sehe nicht ein, warum Du mehr Figuren haben solltest als andere Kinder; spar Dein
Taschengeld und kauf Dir die Figuren wie alle anderen auch, deren Vater nicht in so einer Firma
arbeitet." Aus der Traum. Wie sollte man denn mit fünf Mark in der Woche die zur Erstürmung einer
Burg notwendige Normannen-Armee aufstellen? Aber auch dieser Argumentation war mein Vater nicht
zugänglich.
Hintergrund
Mein Vater, Hanns Preuschoff, war ab November 1981 als Berater bei Hausser in Neustadt
tätig. Um die hoch verschuldete Firma besser steuern zu können, wurde er ab 1. März 1982 als
Geschäftsführer angestellt und war dort tätig bis zum Oktober 1983.
Was habe ich in dieser Zeit gelitten. So viele Figuren und immer zu wenig Taschengeld
und viel zu selten Weihnachten. Die Krönung der Qual: Der Besuch bei meinem Vater in Neustadt. Der
Gang in das Spielzeug-Museum mit all den Dioramen, die die Fantasien ja nochmals so richtig ankurbelten!
Und nie vergessen werde ich den Moment des größten Staunens, als sich die beiden schweren Türen zum
Musterzimmer öffneten. Ich glaube, das war einer der wundervollsten Momente meiner Kindheit. All
diese Figuren, in schönster Ausführung, einzeln aufgestellt, wundervoll anzusehen. Eine Traumwelt,
aus der ich nie wieder erwachen wollte.
Doch wie wir alle wissen, ging die Hausser-Ära unaufhaltbar dem Ende entgegen. Mein
Vater hatte versucht, was ihm möglich war; eine Analyse der verlustbringenden Abteilungen, eine
Neugestaltung der Preiskalkulation - doch die Verschuldung der Firma war bereits zu weit fortgeschritten.
Die Banken waren nicht zu einer weiteren Finanzierung zu bewegen und so war seine letzte Aufgabe die
Verhandlung der Rechte mit der Fa. Preisser. Ausgestattet mit einer Burg, einem Bauernhof und einem
Karton voll 4cm-Figuren nahm ich als kleiner junge Abschied von dieser Zeit.
Ein kleiner Zufall
Die Zukunft brachte Dinge, die das Thema "Elastolin" in Vergessenheit geraten ließen.
Mein Vater erlitt mehrere Herzinfarkte und nahm Abschied vom Berufsleben; unsere Familie erlitt durch
den Tod meiner Mutter 1988 einen herben Verlust und nach meinem Abitur ging durch Studium und Beruf
die Geschichte der handbemalten Figuren vollständig unter - irgendwann spielt man ja auch nicht mehr
mit Figuren.
Es war reiner Zufall, der mich ca. 18 Jahre später an einem regnerischen Tag aus
Langeweile auf die Idee brachte, bei Ebay den Begriff "Elastolin" in die Suchmaske einzugeben. Der
festen Überzeugung, daß da bestenfalls ein paar Leute ihren Dachboden ausgeräumt hatten und das
versteigern würden, aber ansonsten nicht viel passieren würde, wurde ich von den 22 Seiten mit
Angeboten schier erschlagen. Das war doch alles schon lange vorbei! Fast genau zwanzig Jahre! Die
Rechte wurden verkauft und das war's! Fasziniert stieg ich ein, in die vielen Auktionsangebote und
es dauerte keine fünf Minuten, bis der alte Jagdtrieb wieder erwachte. Da war der rennende Normanne,
den ich damals schon so klasse fand. Die Normannen auf den steigenden Pferden, die immer meine
Angriffe angeführt hatten. Der seitlich am Pferd hängende Indianer, den ich schon immer für eine
der genialsten Figuren gehalten hatte und alles in der 7cm-Größe, die mir als Junge aufgrund meines
begrenzten Taschengeld-Rahmens, fast unzugänglich geblieben war. Es hatte mich wieder gepackt.
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Datum: | 20.12.2002 |
Autor: | Bernd Breuschoff |
Fotos: | Bernd Breuschoff |
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Die Burg wird sturmreif geschossen
Hanns Preuschoff
Bernd Preuschoff
Ein neuer Anfang
Einige gewonnene, einige verlorene Auktionen später hatte ich entdeckt,
welche große Sammlergemeinde sich heutzutage noch mit diesem Thema beschäftigt. Je mehr
ich mich wieder damit auseinandersetzte, um so mehr fand ich Aspekte, die mich fesselten
und begeisterten: Bemalungsvarianten, von denen ich damals noch überhaupt keine Ahnung
gehabt hatte, verschiedene Kunststoffe mit unterschiedlichen Eigenschaften, Sonderfiguren
und -ausgaben, die Geschichte der Firma von Beginn an. Die Liebe zu den Figuren und ihrer
Geschichte hat mich wieder gepackt, wenn auch ganz anders, als es den kleinen Jungen
damals erwischt hatte. Die Erinnerungen, die heute in einem hochsteigen, wenn man seine
Figuren in der Vitrine ansieht - sei es ein ruhiges Weihnachten in der Jugend, sei es
der Ärger über den Hund, als er durch die Aufstellungen lief, sei es das hoffnungsvolle
Warten auf die Heimkehr des Vaters - sie sind selten, wertvoll und spenden Ruhe und
Ausgeglichenheit. Gespeist von den Erzählungen vieler Sammler, denen ich an dieser Stelle
von ganzem Herzen dafür danken möchte, ist aus dem Hobby eine Leidenschaft geworden - und
wenn ich ganz ehrlich bin, war ich auch ein wenig stolz, als ich das erste Mal in Bad
Nauheim den Saal betrat und die Massen von Tischen mit Figuren sah - denn mein Vater
war dabei.
Ich bin natürlich nur ein Sammler von vielen und ein kleiner noch dazu.
Viele meiner Ansprechpartner besitzen gigantische Sammlungen und sind mir Meilen voraus
mit ihrem Wissen. Leider läßt auch der gesundheitliche Zustand meines heute 81-jährigen Vaters ein Nachfragen
nur noch bedingt zu. Ich bin jedoch bemüht, all das zusammenzutragen, was er noch weiß und
die Lücken, die bleiben, durch Gespräche mit Rolf Hausser zu klären. Vielleicht kann
ich eines Tages der Sammlergemeinschaft ein paar Informationen aus diesen letzten Tagen
der Fa. Hausser zukommen lassen, die das Wissen um unsere geliebten Figuren abrunden können.
Bis dahin danke ich nochmals allen Sammlern, mit denen ich so wundervolle Gespräche führen
durfte und freue mich auf alle, die vielleicht noch mit mir reden werden, denn die Geschichte
der Fa. Hausser ist es wert, erhalten und weitergegeben zu werden. So ich dazu beitragen kann,
will ich es tun.
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