Tagebucheintrag 25. 4. 2007
Heute, am Morgen, war ich ein weiteres Mal an der Abbruchstelle des Werks III. Ich suchte den früheren Arbeitsplatz von Josef Tonn auf, der am Ende eines langen schmalen Ganges, unmittelbar neben der Packerei und der Versandhalle, gelegen war. Da ich mich erinnerte, dass die Wände dort bemalt und mit Papier beklebt waren, wollte ich nachsehen, was eventuell davon noch vorhanden und erhaltenswert wäre. Zusammen mit dem Vorarbeiter der Abrißfirma betrat ich das Haus durch einen Nebeneingang und machte mich auf die Suche nach "Beppis" Arbeitsplatz.
Die linke Wand des Raumes war noch mit Fetzen alter Plakate beklebt - danben waren allerlei Farbklekse zu erkennen. Als ich alles alte Papier penibel entfernt hatte, entfaltete sich die ganze Wand in ihrer vollen Farbenpracht. Es sah aus, als hätte jemand seinen Pinsel ausgestrichen. Ich erkannte jedoch schnell, dass es sich hierbei um Farbproben handelte, wie man sie bei Versuchen zu machen pflegt. Dazwischen einige Portraits von Römern und Normannen. Da diese bestimmt nicht aus Zeitvertreib gemalt wurden, waren es sicher ebenfalls Farbversuche und Kontraststudien. Ja, dachte ich bei mir, wären dies Wandmalereien von Paul Cesanne oder eĆnes anderen berühmten Impressionisten, dann wäre dieser Raum sicherlich unter Denkmalschutz gestellt worden. Da kam mir diese Idee. Warum die Relikte des großen Schaffens unseres unvergessenen Realisten und Dioramenbauers Josef Tonn nicht in digitaler Form erhalten und so den Sammlern und der Nachwelt zu erhalten. Also Kamera gezückt, Thema gesucht und geknipst. Wie im Rausch habe ich immer wieder auf den Auslöser gedrückt, bis der "Kasten" voll war. Wieder zu Haus habe ich die Bilder sofort begutachtet und die Besten abgespeichert. Beim Betrachten der Bilder stellte ich jedoch fest, dass die nun ausgedruckten Bilder bei weitem nicht dieses Fluidum vermittelten, dass ich in der Enge des Raumes gespürt hatte. Denn dort, vor Ort, als ich unmittelbar vor der Wand stand und diese angefasst und studiert habe, herrschte eine ganz bestimmte Aura, gebildet durch ein unsichtbares Etwas und die Erinnerungen an eine vergangene Aera. Trotzdem denke ich, dass die Bilder der Wandmalereien wertvolle Erinnerungsstücke an den Mann sind, der bei Hausser für die Gestaltung der einmaligen Schaustücke verantwortlich zeichnete, an Josef Tonn.
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Datum: | 03.05.2007 |
Autor: | Erich Leistner |
Fotos: | Erich Leistner |
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