Das Lineol Bilderbuch 2005

Eugen Bauersachs - Teil 3

 

Bei dem Besuch der Tochter von Eugen Bauersachs fragte ich diese, an welchen Burgen denn ihr Vater gearbeitet habe. Sie erzählte mir, dass dies sehr viele gewesen wären, unter anderem auch der kleinen Donjon Nr. 9727. Die Frage, ob sie mir an Hand eines Kataloges zeigen könne, welche der Burgen er modelliert habe, konnte sie mir nicht beantworten. Es standen immer etliche Burgen herum, sagte sie. Aber an die ganz Große, die er zuletzt gemacht hat, erinnere sie sich sehr genau. Doch welche sie meinte, konnte sie nicht sagen. Als ich ihr das Bild einer original Normannenburg Nr. 9748 zeigte, erkannte sie diese aber sofort wieder. Wie mir seine Tochter weiterhin erzählte, arbeitete ihr Vater zuletzt längere Zeit an den Figuren zu einer Militär-Kapelle. Hierzu waren noch eine ganze Reihe Musikgeräte und Wachsmodelle vorhanden, die ich fotografieren konnte. Das beigefügte Foto zeigt einige marschierende deutsche Soldaten, als Tubabläser, Lyraträger und Trommler. Weiterhin viele einzelne Teile als Passstücke zu anderen Musikern. Auf die Nachfrage nach weiteren Begebenheiten - mit Bezug auf Modelle die Eugen Bauersachs entwickelt hat - erzählte sie mir, dass der Vater eng mit Weissbrodt zusammen gearbeitet habe. Diesen habe er immer wegen seiner guten Einfälle gelobt. "Weissbrodt hatte die Ideen und ich hab sie schnell erfasst und umgesetzt" habe er des Öfteren erzählt. Diese Aussage bestätigt ein funktionierendes Teamwork, wie es in einem guten Atelier zum Vorteil der Firma üblich war. Es belegt aber auch die alte Form der klassischen Schulen, wie es schon bei Rembrandt in guter Praxis üblich war. Die Schüler malten nach dessen Angaben vor und der Meister machte vielleicht den letzten Pinselstrich und schrieb seinen Namen darunter.

So ungefähr geht es auch in einem Atelier zu, in dem mehrere Modelleure zusammen arbeiten. Dort werden die Ideen der Firmenleitung umgesetzt. Der Chefmodelleur gibt die Richtung vor und das vorgefertigte Modell wird dann in einem Arbeitsgespräch, an dem die Herren der Geschäftsleitung teilnehmen, durchgesprochen. Vorschläge werden eingebracht und eventuell geändert, bevor das Modell anschließend zerlegt, die Kerne erarbeitet und der Ziseliererei und dem Formenbau zugeleitet werden. Auf der Suche nach weiteren Belegen seiner Tätigkeit war ich erfreut, seine noch vorhandenen Modelliergerätschaften zu sehen, weckten sie doch Erinnerungen an meine eigene Lehrzeit als Bossierer. Neben den verschiedenen Wachs- und Feststoffabgüssen (eine Art weißer, brüchiger Masse) verschiedener marschierender und stillgestandener deutscher Soldaten in der 15 cm Größe stieß ich auf die Modelle von Tieren, Kühen, eines Bisonmodells und verschiedenen Bleiabgüssen der Zwerge zu Schneewittchen. War auch hier Bauersachs der Modelleur? Auch zwei Modelle aus der Krippenserie habe ich gefunden. Den König Nr. 6605 und einen halben Schäfer 6608. Auch hier bleibt die Frage offen, ob Bauersachs der Urheber dieser wohl ersten Serie war, oder nur Teile daran erarbeitet hatte.

1975, inzwischen war Eugen Bauersachs 65 Jahre alt geworden, stand er an der Schwelle des Rentenalters. Den verdienten Ruhestand mit Nichtstun zu verbringen widerstrebte ihm. Aber da war doch noch was? Natürlich, die interessante Arbeit, mit eigenen bloßen Händen aus Wachs oder Ton eine Figur schaffen zu können. Das kann man nicht so einfach aufgeben. Außerdem war da noch die Firma, für die er so viele Jahre tätig war. Inzwischen war Max Weissbrodt bereits gestorben und so gab er dem Drängen von Rolf Hauser nach und war weiterhin für dessen Unternehmen tätig. Nur den Arbeitsplatz wechselte er zu seinem heimischen Küchentisch, am Fenster zur Straße. Dort wirkte er bis zu seinem 80. Lebensjahr. Mittlerweile hatte die Firma Paul M. Preiser aus Steinsfeld viele Spritzaufträge für Hausser übernommen und so ergab es sich, dass Eugen Bauersachs auch für Preiser tätig wurde. Der 30. Juli 1976 war für Eugen Bauersachs ein Feiertag. An diesem Tage war er genau 25 Jahre für die Firma Hausser tätig.

Die Industrie- und Handelskammer Coburg ehrte ihn mit einer Urkunde. Die Spitze der Firma war mit allen Verantwortlichen angetreten. Kurt Hausser als Senior der Firma gratulierte in seiner schwäbisch-gemütlichen Art. Assistiert wurde er von seiner Tochter Ingrid und seinem Bruder Rolf Hausser. Man überreichte Eugen Bauersachs ein schönes Geschenk. Zu diesem Zeitpunkt war noch nicht abzusehen, dass die Firma O.M. Hausser Elastolin Figuren in Neustadt bei Coburg einmal die Tore schließen würde.

Dies war sieben Jahre später, 1983, der Fall. Die Spielzeugwelt war außerordentlich überrascht und erschreckt. Die Bemühungen von Hanns Preuschoff, der ab März 1982 daran arbeitete, den Betrieb Hausser zu erhalten, waren nicht von Erfolg gekrönt. Er musste letztendlich doch den Gang zum Konkursgericht antreten. Die Produktion wurde eingestellt und der Betrieb vom Insolvenzverwalter Adolf Schilling nach und nach aufgelöst. Maschinen und Lagerbestände wurden verramscht. Einige Fachkräfte fanden bei Preiser eine neue Anstellung. Einen Teil des Firmenarchivs, sicherlich die wichtigsten Akten, konnte ich vor der unkontrollierten Privatisierung retten und habe diese dem Staatsarchiv zugeführt. Dort lagern sie nun die gesetzlich vorgeschriebenen 30 Jahre. Eugen Bauersachs arbeitete noch einige Jahre bis zu seinem 80. Geburtstag für Preiser, bis er spürte, dass die Finger zittriger wurden. Da hat er, der Vernunft gehorchend, die Modellierhölzer und das Modellierwachs auf die Seite gelegt und sich nun mehr um seinen geliebten Garten und seinen Enkel gekümmert.

Sein Tod am 2. Juli 2001 kam, trotz seines hohen Alters, für alle überraschend. In seiner Geburtsstadt Scheuerfeld wurde er unter großer Anteilnahme der Bevölkerung zu Grabe getragen.

- Wird fortgesetzt - 
    
Datum: 10.04.2006
Autor: Erich Leistner
Fotos: Erich Leistner


Schneewittchen und die 7 Zwerge lassen grüßen. Abgüsse wie er sie zur Größenumsetzung gebrauchte. Hier nehme ich an, dass diese Zinn Abgüsse aus einer früheren Entwicklung stammen, denn die Originale sind wesentlich kleiner.

 

Leserkommentare

Mitglied , 10.04.2006: Endlich wissen wir das der Römerturm kein Römerturm ist, sondern ein Donjon, und Herr Weissbrot gute Mitarbeiter hatte. 
Ein toller Bericht mit Herzblut recherchiert,das merkt man. 
Der Figurenkobold bedankt sich!

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